Ein Bild des Elends war es, dass uns der alte Mähnenlöwe bot, dem wir eines Morgens auf unserem „Game Drive“ in der Maasai Mara, dem Tierparadies in Kenia, begegneten. Dürr wie ein Brett war er, kurz vor dem verhungern und nur noch mühsam schleppte er sich dahin. Sicher würden die Hyänen ihm bald ein gnädiges Ende bereiten. Aus seinem Rudel war er längst ausgeschlossen. Tags zuvor war beobachtet worden, wie die drei Löwinnen seines Rudels ihn aus diesem heraus gebissen hatten, sicherlich nicht zum ersten Mal. Von den männlichen Löwen wird Leistung gefordert, ungefähr alle Viertelstunde eine Kopula, wenn eine Löwin brunftig ist. Nutzlose Fresser werden nicht geduldet. Dafür dürfen sie sich ähnlich wie die Männer des hier ebenfalls lebenden Volksstammes der Maasai verhalten: beide werden von den Frauen durchgefüttert. In diesem Zustand konnte er sich ohnehin nicht mehr selbst ernähren. Schnell erkannten wir die Ursache seines Leidens: die Spitze eines Pfeils, wahrscheinlich von einem Hirten abgeschossen, dessen Herde er sich wohl all zu sehr genähert hatte, schaute aus der rechten Keule heraus. Ein Kriegervolk sind die Maasai schon lange nicht mehr oder sollte sich doch einer der alten Tradition erinnert haben, nach der ein Jüngling „seinen Speer mit dem Blut eines Löwen benetzt haben muss“, um in die Klasse der Krieger aufgenommen zu werden? Auf jeden Fall ist der Verlust eines starken Bullen für ein Maasai bitter.